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Die Kulturflatrate kommt!


Nachdem in den vergangenen Jahren in Frankreich bereits entsprechende Vorstöße gemacht wurden, kommt es nun europaweit endlich zu einer Verabschiedung der von vielen Musikfans langersehnten Kulturflatrate. Das Anbieten von Musik, Bilder und Videos fremder Urheber im Internet (z.B. über Tauschbörsen) wird damit ohne Zustimmung des Urhebers legal möglich. Zum Ausgleich bezahlt jeder Bürger für die prinzipielle Möglichkeit, Werke aus dem Internet herunterladen zu können, eine monatliche Kopfpauschale.

Die endsprechenden Richtlinien befinden sich im Ministerrat der Europäischen Union noch in der Beratung, doch es gilt als sicher, daß keine umfangreichen Änderungen mehr vorgenommen werden. Wenn die Richtlinien in einigen Monaten verabschiedet sind, bleiben den nationalen Gesetzgebern noch sechs Monate Zeit, dies in das jeweilige nationale Recht umzusetzen. Somit dürften wir spätestens in einem Jahr die Kulturflatrate nutzen können.

Die Erhebung der Pauschalgebühr

Einer der strittigsten Punkte am Konzept der Kulturflatrate ist zum Glück gelöst: Die Grundlage für die Erhebung der Gebühren. Von vielen Organisationen, die in den vergangenen Jahren das Prinzip der Kulturflatrate offensiv gefordert haben, war als Berechnungsgrundlage die Geschwindigkeit des Internet-Anschlusses vorgeschlagen worden. Doch im Zuge schnell wachsender Übertragungsgeschwindigkeiten wussten die Vertreter der IT-Industrie und der Telekommunikationsunternehmen dagegen natürlich überzeugende Bedenken anzumelden. Eine Kulturflatrate von beispielsweise 5,- Euro für einen DSL1000-Anschluß (wie von manchen gefordert), würde für einen VDSL-Kunden mit einer Übertragungsrate von 50 MBit/s bereits eine monatliche Gebühr von stolzen 250,- Euro bedeuten, für den Inhaber eines dedizierten Servers mit 100 MBit-Netzwerk sogar 500,- Euro im Monat. Größere Unternehmen mit Internet-Standleitung oder die Universitäten und Fachhochschulen kämen in Gebührenregionen, die nicht mehr bezahlbar wären und dem Wirtschafts- und Ausbildungsstandort Europa gänzlich unattraktiv machen würden.

Auch die Überlegung, eine Pauschalgebühr pro Internet-Nutzer zu erheben, erschien nicht zweckmäßig. Zu offensichtlich waren die sich damit ergebenden Mißbrauchsmöglichkeiten. Sollten die Strafverfolgungsbehörden sich zukünftig damit beschäftigen, ob der bei seinen Eltern ausgezogene Sohn den Internet-Anschluß der Eltern weiterhin auf seinen Namen mitlaufen läßt, um diesen die Gebühr für die Kulturflatrate zu ersparen? Sollten die Gerichte darüber befinden müssen, ob der Internet-Anschluß eines Studentenwohnheims genauso als nur ein einziger Anschluß gezählt wird wie der Internet-Anschluß einer Einzelperson?

Auch gegen eine allgemeine Kopfpauschale gab es nicht unerhebliche Bedenken, doch dieses Modell setzte sich letztlich durch: Jeder Bürger der europäischen Union zahlt zukünftig eine monatliche Pauschale, quasi den Preis für die prinzipielle Möglichkeit, über das Internet Werke herunterzuladen. Gestritten wird noch über die Höhe der Gebühr und über Altersgrenzen. Vermutlich wird ein Betrag um 20,- Euro pro Monat herauskommen, zu zahlen von allen Bürgern vermutlich ab 12 oder ab 14 Jahren.

Bewegte und stillstehende Bilder

Still geworden ist es mittlerweile auch um den Widerstand der Photographen und der Photoagenturen. Sie haben wohl eingesehen, daß ihr Widerstand gegen die Kulturflatrate zwecklos ist. Es ließe sich dem Bürger auch nicht vermitteln, warum er bewegte Bilder mit Ton (Videos) im Internet frei zur Verfügung stellen und herunterladen darf, Einzelbilder (Photos) dagegen nur mit Erlaubnis des Urhebers. Zumal eine solche Unterscheidung leicht aushebeln ließe: Der Anwender kann ein Photo in ein Videoprogramm laden, Musik von CD hinterlegen, und schon hat er ein Video erzeugt, was von der Kulturflatrate erfaßt ist. Aus diesem Grund wird die Kulturflatrate nicht unterscheiden zwischen Musik/Sprache ohne Bild, kompletten Videos aus bewegten Bildern und Musik/Sprache, oder Einzelbildern.

Für die Redaktionen der Zeitungen und Zeitschriften brechen paradisische Zustände an. Vorbei sind die Zeiten, als diese noch Photographen für ihre Aufnahmen bezahlen mussten. Und vorbei auch die Zeiten, als für gute Schnappschüsse von Zeitungslesern teilweise sogar dreistellige Euro-Beträge ausgelobt wurden. Wenn die Kulturflatrate endlich in nationales Recht umgesetzt ist, können die Redaktionen sich frei bedienen aus allem, was im Internet verfügbar ist. Ob Photos in privaten Blogs, Bilder und Skizzen in engagiert arbeitenden Communities wie beispielsweise Wikipedia, Photobeispiele auf den Homepages von professionellen Photografen: Dank Kulturflatrate darf alles zukünftig ohne Beachtung irgendwelcher Lizenzbestimmungen frei verwendet werden. Man muß noch nicht einmal mehr angeben, von wem das Material stammt.

Die Herausforderung: Verteilung der Gelder

Eine Herausforderung an die technische und organisatorischer Durchführung stellt die möglichst gerechte Verteilung der eingenommenen Gelder dar. Die dabei entstehenden Fragestellungen sind überwiegend noch nicht geklärt, trotzdem ist aber nicht zu erwarten, daß sie den politischen Willen zur Durchsetzung der Kulturflatrate noch aufhalten können. Vermutlich werden die nationalen Gesetze zur Kulturflatrate die Regelung der Verteilung der eingenommenen Gebühren an eine separat zu beschließende Ausführungsverordnung verschieben.

Letztlich deuten ohnehin alle Anzeichen darauf hin, daß man ein gerecht erscheinenden System zur Verteilung der Gelder aus der Kulturflatrate erst nach Einführung dieser konzipieren kann. Da durch die Einführung der Kulturflatrate die Veröffentlichung fremder Werke aus dem Audio- und Videobereich ohne Zustimmung des Urhebers und sogar ohne Nennung des Urhebers legal wird, ist davon auszugehen, daß die heute üblichen Filesharing-Netzwerke an Bedeutung verlieren. Statt dessen werden Musik und Videos künftig verstärkt auf gewöhnlichen Homepages oder in E-Mail-Newslettern zu finden sein. Erst recht bei Einzelbildern wie Photoaufnahmen, Comics, technischen Zeichnungen oder eingescannten Buchseiten ist aufgrund des geringeren Datenvolumens zu erwarten, daß sie überwiegend in HTML-Seiten eingebettet werden.

Die Musikverlage bereiten sich vor

Die Musikindustrie hat bereits erkannt, daß jetzt der Verteilkampf losgeht: Zahlreiche Domainnamen wurden in den vergangenen Wochen, nachdem erkannbar war, daß die politische Entscheindung zur Kulturflatrate nicht mehr aufzuhalten ist, bei den Vergabestellen (in Deutschland die Denic) registriert. Zahlreiche mehr oder weniger triviale Werke, von einfachen Tonleitern und Akkorden bis zum Lärm der vor den Konzenzentralen befindlichen Hauptverkehrsstraßen, haben die großen Plattenfirmen digitalisiert. Sobald die Kulturflatrate in Gesetzesform gegossen ist, stehen diese Werke unter den zahlreichen Domainnamen zur Verfügung und werden dann kontinuierlich von einem weltweit verteilten Netzwerk von Internet-Zugängen in den Büros der Plattenfirmen rund um die Uhr immer wieder heruntergeladen.

Das Kalkül dahinter ist, daß die Verteilung der Gelder nach Anzahl der Webseiten, Anzahl der angebotenen Dateien oder nach dem Datenvolumen der Downloads erfolgen wird, vermutlich nach einer Kombination aus mehreren dieser Merkmale. Wenn dies tatsächlich so kommt, dann profitiert davon derjenige, der auf möglichst vielen Rechnern möglichst große Dateien anbietet und außerdem dafür sorgt, daß diese Dateien möglichst häufig heruntergeladen werden.

Eine inhaltliche Bewertung der Werke wird schließlich nicht vorgenommen, so viel ist sicher. Aus der Diskussion, was der Begriff "Kultur" bedeutet und was nicht, will die Europäische Union sich in Sachen Kulturflatrate bewußt heraushalten.

Veränderung von Inhalten – und die Folgen

Noch gänzlich unklar ist, wie solche Werke in die Geldverteilung einbezogen werden, die einzelne Nutzer aus anderen Medien in das Internet übertragen. Dazu gehört das aus einem Buch mit der Digitalkamera abphotographierte Bild genauso wie ein vom Videorekorder digitalisiertes Standbild oder der Mitschnitt der Radionachrichten.

Aufgrund der technischen Rahmenbedingungen ist nicht davon auszugehen, daß das Verteilungsmodell, auf das die Musikindustrie derzeit spekuliert, wirklich gewählt wird. Eine Verteilung nach heruntergeladenem Datenvolumen hat einfach zu viele Mängel, um allgemeine Akzeptanz zu finden.

Bewußt wird bei der Kulturflatrate darauf verzichtet, eine Urhebernennung oder eine Unveränderbarkeit der Werke zu fordern. Denn als Vorbild für die Kulturflatrate dient die heutige Nutzung von Filesharing-Netzwerken. Diese Netzwerke, in denen keine Urheberkennzeichnung erfolgt, und in denen die heruntergeladenen Werke beliebig verändert werden können, sollen aus der Illegalität herausgenommen werden. Hier finden sich Mitschnitte von Fernsehserien genauso wie abgefilmte Kinovorführungen oder eingescannte Stadtpläne. Die meisten dieser Werke wurde nicht von ihren ursprünglichen Urhebern dort veröffentlicht, sondern aus anderen Medien konvertiert.

So kann zukünftig, wenn die Kulturflatrate in nationales Recht umgesetzt ist, jeder aus Videos einzelne Ausschnitte oder Standbilder extrahieren, kann Photos von fremden Webseiten bearbeiten (z.B. Teile austauschen, Farben verfremden, seinen eigenen Namen hineinschreiben) oder mehrere Werke zu einer Gesamtdatei (einer Diashow, einer Kombination von Bild und Ton) zusammenfügen. Und das Ergebnis darf dann wieder auf einer Homepage veröffentlicht, per E-Mail-Newsletter verteilt oder in einem Filesharing-Netzwerk abgespeichert werden. Eine Nachverfolgung der Verbreitung einzelner Inhalte als Basis für eine möglichst gerechte Ausschüttung der aus der Kulturflatrate eingenommenen Gebühren scheidet daher mit Sicherheit aus.

Weil von der Kulturflatrate auch solche Werke abgedeckt sind, deren Urheber das Internet gar nicht benutzen, darf ein Schlüssel zur Verteilung der finanziellen Mittel nicht nur die Online-Aktivitäten berücksichtigen. Hinter vorgehaltener Hand wird daher darüber spekuliert, ob die Auszahlung der Kulturflatrate ähnlich der Einnamesituation in Form einer Kopfpauschale erfolgen könnte. Bei den zu erwartenden Einnahmen könnte jeder Person ab 12 Jahren (vielleicht auch ab 14 Jahren) eine monatliche Auszahlung von etwa 20,- Euro gewährt werden.

 
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