Überwachung durch neue IP-Adressen | ||||||||||
Immer, wenn Sie sich im Internet bewegen, haben Sie eine IP-Adresse. Egal, ob sie Web, E-Mail oder FTP nutzen, ob Sie Internet-Telephonie oder Filesharing betreiben: Eine IP-Adresse ist immer dabei, sonst kann die Kommikation im Internet gar nicht funktionieren. Bisher erhält man in der Regel eine IP-Adresse aus einem Kontingent des Zugangsproviders. Bei jeder Anwahl des Internet (bei DSL-Anschlüssen spätestens nach der alle 24 Stunden erfolgenden Zwangstrennung) erhält man eine neue IP-Adresse, so daß Außenstehende von der IP-Adresse keine Rückschlüsse auf die Identität oder die Adresse des Nutzers ziehen können. Nach dem Willen des Wirtschaftsgipels "G8", dem Zusammenschluß der führenden Industrienationen, soll sich das nun ändern. Zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, aber auch zur Verfolgung von Wirtschaftstraftaten, sollen IP-Adressen zukünftig einen eindeutigen Bezug zu einer postalischen Adresse haben. Ursprünglich erwartete man eine entsprechende Zuordnung der Teilnehmer des Internet aufgrund des neuen Protokolls IPv6, doch das lässt nach wie vor auf sich warten. Also musste eine Lösung auf Basis des bestehenden Protokolls, auch IPv4 genannt, her. Arbeitstitel "Schweizer Allee" Zu einem Arbeitstreffen der Innenminister der G8-Treffen traf man sich auf den alten Herrensitz Canaris nahe dem Ort Schäferkamp in der deutschsprachigen Schweiz. Aufgrund einer langen Baumallee vor dem Eingang des pompösen Schlosses bekam die Sitzung den Arbeitstitel "Schweizer Allee". Und bei diesem Namen blieb es. Denn diese Angelegenheit soll erst mal im Stillen mit den großen Providern abgewickelt werden, eine amtliche und aussagekräftige Bezeichnung wie beispielsweise "IP-Hausnummernzuordnungsverfahren" würde aus Sicht der Politik nur Kritiker (berechtigt) auf den Plan rufen und das Projekt behindern. Der Aufbau der IP-Adressen IP-Adressen in dem aktuellen Protokoll IPv4 bestehen bekanntlich aus vier Zahlen, die durch Punkte getrennt sind. Diese vier Zahlen können maximal dreistellig sein. Eine IP-Adresse sieht also beispielsweise so aus: 192.168.210.112 Bei allen bisher vergebenen IP-Adressen hat man aber den möglichen Adressenvorrat bei weitem nicht ausgenutzt. So wird in allen vier Zahlen der mögliche Zahlenbereich für dreistellige Zahlen, also von 0 bis 999, nur zu etwa einem Viertel, nämlich bis ca. 250 verwendet. Die Zahlen über 250 (manchmal auch 255, aber niemals 260 oder gar höher) bis 999 sind in den IP-Adressen noch völlig unbenutzt. Hier setzt nun das Verfahren an: Die Provider sollen zukünftig an ihre Kunden ganz neue IP-Adressen vergeben, die bislang noch gar nicht verwendet wurden. Für die Staaten in Europa hat man sich darauf geeignigt, daß diese neuen IP-Adressen mit dem im internationalen Fernmeldeverkehr festgelegten Länderkürzel, in Deutschland also 49, beginnen werden. Danach geht es aber nicht weiter mit der Ortsnetzkennzahl (Vorwahlnummer innerhalb Deutschlands), denn die IP-Adressen sollen ja nicht Telephonnummern, sondern Hausnummern abbilden. Für die Zuordnung der neuen IP-Adressen innerhalb Deutschlands wurden folgende Bereiche, strukturiert nach den Bevölkerungszahlen der Bundesländer, gebildet:
Zuordnung durch die Bundesländer Es ist nun Aufgabe der Länder, eine Festlegung zu erstellen, nach in den jeweils zugeteilten freien Stellen der IP-Nummer die Stadt, die Straße und die genaue Hausnummer untergebracht werden. Ähnlich wie man den Länder je nach Einwohnerzahl unterschiedlich viele Ziffern zugeordnet hat, wird man auch bei den Städten und Gemeinden verfahren müssen. Die postalischen Adressen in jeder Stadt (bzw. Gemeinde) sollen schlicht eine eindeutige Nummer bekommen. Damit hat jede einzelne Adresse, auch wenn sie einen Buchstabenzusatz wie z.B. "Ostkirchstraße 2a" besitzt, eine innerhalb der Stadt eindeutige Nummer, die hinter der Kennung für die Stadt in die jeweilige IP-Adresse eingetragen wird. Bei der Vergabe der Nummern sollen die Städten berücksichtigen, daß zu postalischen Adressen, die mehrere Internet-Anwender gleichzeitig haben können (Mehrfamilienhäuser, Hochhaussiedlungen) noch ein oder sogar zwei Ziffern in der IP-Adresse für eine fortlaufende Nummer freibleiben müssen. Nordrhein-Westfalen als Vorreiter Für das Land Nordrhein-Westfalen, das als bevölkerungsreichstes Bundesland Deutschlands gleich zwei getrennte Bereiche für das Rheinland (IP-Adressen beginnen mit 494) und für Westfalen und Lippe (IP-Adressen beginnen mit 495) erhalten hat, wurde die Zuordnung der Adressen schon mal exemplarisch vorgenommen. In beiden Bereichen sollen die Städte mit mehr als einer halben Million Einwohnern mit nur einer Ziffern codiert werden, die übrigens kreisfreien Städte mit zwei Ziffern und die kreisangehörigen Gemeinden mit drei Ziffern. Dabei werden die Städte und Gemeinde jeweils alphabetisch sortiert. Ergeben sich später Namensänderungen, so bleibt die einmal gewählte Nummernzuordnung jedoch erhalten. Es ergibt sich daraus folgende Zuordnung (jeweils die ersten 10 aufgelistet):
Wie man an den verbleibenden Ziffern sehen kann, bleibt genügend Platz, um die postalischen Adressen in den IP-Adressen abzulegen. Bei durchschnittlich 6 Einwohnern pro Hausnummer muß z.B. eine Stadt wie Dortmund mit rund 600.000 Einwohnern lediglich etwa 100.000 Adressen zuordnen, hat dafür aber acht Stellen in der IP-Adresse zur Verfügung. Vermutlich werden die Adressen von Einfamilienhäusern eine sechsstellige Zahl erhalten, die Adressen von kleineren Mehrfamilienhäusern fünfstellige Zahlen und größere Wohnhäuser vierstellige Zahlen. Somit können in jeder einzelnen Wohnung theoretisch sogar bis zu 100 Personen gleichzeitig online gehen und doch eine zum Vergabesystem passende IP-Adresse erhalten. Wie geht es nun weiter? Die Zuordnung der Nummernbereiche zu den Bundesländern ist wie dargestellt bereits erfolgt, in Nordrhein-Westfalen ist auch die Zuordnung zu den Städten und Gemeinden bereits gelaufen. So sind in Nordrhein-Westfalen jetzt die Ämter der Kreise und der kreisfreien Städte in der Pflicht, eine Nummernvergabe zu den Adressen durchzuführen. In den anderen Bundesländern müssen zunächst noch die die Städte und Gemeinden zu Nummern zugeordnet werden, dann geht es auch dort mit der Zuordnung der postalischen Adressen weiter. Parallel laufen nun die Verhandlungen mit den großen Zugangsprovidern wie z.B. T-Online, Versatel oder Arcor. Denn die Provider sollen ihren Kunden fortan eine zu dem Ort des Anschlusses passende IP-Adresse nach dem neuen Schema zuordnen. Bei mobilen Zugängen (z.B. über UMTS) soll die Kundenanschrift herangezogen werden. Nichts ändern wird sich dagegen für die Server in Rechenzentren und für große Firmen mit eigenem IP-Adreßbereich (wie z.B. auch an Universitäten üblich): Die fest zugeordneten IP-Adressen bleiben auch weiterhin bestehen. Wie ist es um den Datenschutz bestellt? Man muß sich bei diesem Szenario, was auf uns alle in den nächsten Monaten zukommt, natürlich fragen, wie das mit dem Datenschutz vereinbar ist. Aus Sicht der Innenminister des G8-Gipfeld war es taktisch klug, der IP-Hausnummernzuordnung keinen eindeutigen Namen zu geben, sondern es bei dem neutral klingenden Arbeitstitel "Schweizer Allee" zu belassen. Darüberhinaus hat man es lange Zeit geschafft, diese Angelegenheit geheim zu halten. Erst jetzt, wo die großen Zugangsprovider mit dem System vertraut gemacht werden, kommt es nach und nach an das Licht der Öffentlichkeit. Und jetzt ist es fast schon zu spät, noch irgendetwas dagegen zu unternehmen. Bewußt wurde in Deutschland und einigen anderen Staaten, in denen der Datenschutz als sensibles Thema eingeschätzt wird, bei der Systematik der neuen IP-Adressen auf eine unmittelbare Zuordnung zu Personen verzichtet. Aufgrund des zur Verfügung stehenden Nummernvorrates wäre es technisch kein Problem gewesen, jedem der rund 80 Millionen Einwohner der Bundesrepublik Deutschland eine eindeutige Personenkennzahl zuzuordnen und diese in der IP-Adresse abzulegen. Doch eine solche Personenkennzahl gab es (seit 1970) in der DDR (Deutsche Demokratische Republik). Jeder Bürger der DDR wurde ab 1970 von Geburt bis zu seinem Tod mit einer gleichbleibenden eindeutigen Nummer identifiziert. Nach dem Fall der Mauer und dem Beitritt der östlichen Bundesländer zur BRD (Bundesrepublik Deutschland) tauchte diese Nummer z.B. noch in Versicherungsverträgen und vielen anderen Unterlagen auf, was medienwirksam für erhebliche Kritik in der Bevölkerung sorgte. Die aus DDR-Zeit stammenden und noch gültigen Verträge mussten umgeschrieben werden, um die Personenkennzahl zu entfernen. Auch im Westen Deutschlands war 1973 die Einführung einer eindeutigen Nummer für alle Bundesbürger geplant. Diese Nummer sollte Personenkennzeichen heißen. Das Vorhaben wurde 1976 wieder verworfen, weil der Rechtsauschuß des Bundestages feststellte, daß die Einführung eines Personenkennzeichens nicht mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar, also rechtlich nicht zulässig ist. Somit werden auch die neuen IP-Adressen (zumindest in Deutschland) keine eindeutigen Nummern für Personen bilden, sondern lediglich die postalische Adressen repräsentieren. Juristisch ist dieses Vorgehen nicht so leicht angreifbar. |
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