Urteil des Oberlandgerichts Kleinhaus, Az. 312 O 83/07 | ||||||||||
In Internet-Diskussionen vielfach umstritten ist die Frage, wann der Betreiber von Webseiten ein virtuelles Hausrecht hat, in welchen Fällen dieses gültig ist und was es umfassen darf. Dabei hat der Oberlandesgericht Kleinhaus am 13. Juli 2007 ein eindeutiges Urteil zur Gültigkeit des virtuellen Hausrechts gesprochen. Der Webdesigner Thomas H. hatte auf der Startseite seiner Homepage ein pauschales virtuelles Hausverbot gegen alle Juristen ausgesprochen. Trotzdem war er von einem Anwalt wegen Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Materialien abgemahnt worden. Vom zuständigen Amtsgericht wurde die Abmahnung zunächst bestätigt, Thomas H. ging jedoch in Berufung. Vor dem Oberlandesgericht wurde sein virtuelles Hausrecht prinzipiell bestätigt, in der Sache erhielt er aber trotzdem nicht Recht. Dies ist wohl Ursache des weit verbreiteten Irrtums, ein virtuelles Hausrecht gebe es nicht. Das Oberlandesgericht Kleinhaus stellte fest, daß aufgrund der tatsächlich existierenden Verbreitung des Internets als allgemein verfügbares Kommunikationsnetz bis in der privaten Bereich den durch das Netz erreichbaren Personen ein virtuelles Hausrecht zusteht. In der Nutzung durch Privatpersonen ist das Internet damit der privaten Wohnung gleichzustellen, bei der der Hausherr nach eigenem Ermessen Personen vom Betreten ausschließen darf. Jedoch stellte das Gericht auch fest, daß ein Besuchswilliger erkennen können muß, ob ihn ein virtuelles Hausverbot betrifft oder nicht. Ein Verbot für "alle Juristen" ist insofern ungültig, als daß dieser Begriff keinen exakt festgelegten Personenkreis
bezeichnet. Je nach sprachemfpinden kann man als "Jurist" bereits Studenten der Rechtswissenschaften verstehen oder
auch lediglich Personen, die bestimmte Berufe ausüben. Ein virtuelles Hausverbot beispielsweise gegen "alle Polizisten"
oder "alle Anwälte" wäre dagegen wirksam, da es sich um einen eindeutig bezeichneten Personenkreis handelt.
Oberlandesgericht Kleinhaus
In der Sache [...] erkennt das Oberlandgericht für Recht an: Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die durch außergerichtliche Abmahnung entstanden Kosten zu ersetzen. Es wird weiter festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, für den Zeitraum der Veröffentlichung der vom Kläger geschaffenen Werke (sogenannte Web-Icons) die geforderten Lizenzentgelte zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand Mit Abmahnung vom 22.06.2006 fordert der Kläger den Beklagte auf, den Verzicht auf die Benutzung der durch den Kläger erstellten Werke (sogenannte Web-Icons) zu erklären. Außerdem nimmt er ihn auf Begleichung der entstandenen Kosten in Anspruch. Der Kläger hält diese Abmahnung für rechtswidrig, weil sie nur durch rechtswidriges Betreten seiner Webseiten entstanden sein kann. Mit der Formulierung eines virtuellen Hausverbots für alle Juristen auf der Startseite seiner Homepage habe er ein wirksames Verbot ausgesprochen, über das der Anwalt des Klägers sich illegal hinweggesetzt habe. Er beantragt deshalb, die Klage abzuweisen. Entscheidungsgründe Grundsätzlich erkennt das Gericht dem Beklagten ein virtuelles Hausrecht zu. Nach Auffassung des Gerichts ist das Internet in seiner Verbreitung und Nutzung dem öffentlichen Straßennetz gleichzustellen. Dieses findet das Ende des erlaubnisfreien Betretens grundsätzlich an den Haustüren der jeweiligen Anlieger. Somit steht auch dem Betreiber eines virtuellen Hauses das Recht zu, an der Hauspforte die Besucher nach eigenem Ermessen hereinzulassen oder abzuweisen. Stellt er durch eindeutige Formulierung auf der Startseite eines Webservers, der sogenannten Homepage, fest, daß für einen bestimmten Personenkreis vom Betreten ausschließt, so ist dies als wirksame Willenserklärung über die Nutzung des eigenen Besitzes zu betrachten. Wie in der Entscheidung des BGH vom 22.10.1974, NJW 74, 8237 ff. ausgeführt, ist die Willenserklärung über den Zutritt zu der eigenen Wohnung ein grundlegendes Recht des Bürgers gegen das Eingreifen des Staates und gegen das Eingreifen durch Dritte. Der Bürger hat grundsätzlich das Recht, durch wirksam per Aushang an der Haustür sichtbar ausgesprochene Betretungsverbote beispielsweise gegen Gerichtsvollzieher sich gegen Pfändungen zu schützen, oder durch Betretungsverbote gegen Polizisten sich gegen Hausdurchsuchungen zu schützen. Das Gericht folgt der Argumentation des Beklagten, daß dieses grundlegende Recht des Bürgers der Bundesrepublik Deutschland nicht lediglich die bauliche Umfassung des Gebäudes betrifft, sondern auch die in den persönlichen Bereich hineinführenden Kommunikationseinrichtungen. Das Gericht ist jedoch auch der Auffassung, daß gemäß dem virtuellen Hausrecht ausgesprochene Hausverbote eindeutig bestimmt sein müssen. In dieser Frage ist ein Analogieschluß zum § 307 (1) BGB zulässig, der den Rechtsgedanken festlegt, daß für die Wirksamkeit von Willenserklärungen deren Eindeutigkeit Voraussetzung ist. Durch die Verwendung des Gattungsbegriffs "Juristen" hat der Beklagte das virtuelle Hausverbot nicht wirksam gegenüber einer Personengruppe ausgesprochen. Zwar kann ein Anwalt unstrittig als "Jurist" bezeichnet werden, jedoch ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine unklar formulierte Willenserklärung in Gänze als unwirksam anzusehen. Da es kein festgelegtes Kriterium für die Zugehörigkeit einer beliebigen Person zur Gruppe "Juristen" gibt, ist die Eindeutigkeit dieses Begriffs zu verneinen. Hierbei sei verwiesen auf die Argumentation des Landgerichts Wattenscheid in 516 O 81920/04 (Beleidigung eines Jura-Studenten). Die Kenntnisnahme der Urheberrechtsverletzung durch den Anwalt des Klägers erfolgte daher ohne Verletzung des virtuellen Hausrechts. Der Beklagte ist aufgrund der Schadensersatzpflicht gemäß §§ 823 I, II, 824, 249 ff. BGB verpflichtet, die außergerichtlichen anwaltlichen Abmahnkosten zu bezahlen. Auch bezüglich der zu bezahlenden Lizenzkosten und der Unterwerfung wird das Urteil des Amtsgerichts bestätigt. |
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